EuGH urteilt zum Begriff der festen Niederlassung
Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich zu der Frage entschieden, ob und unter welchen Umständen die EU-Tochtergesellschaft einer ausländischen Muttergesellschaft eine feste Niederlassung für diese begründen kann (C‑547/18). Mit seinem Urteil vom 7. Mai 2020 folgte der EuGH im Wesentlichen der Ansicht der  Generalanwältin (vgl. Blog-Beitrag vom 20. Dezember 2020) und stellte fest: Eine Tochtergesellschaft begründet nicht zwingend eine feste Niederlassung ihrer ausländischen Muttergesellschaft.

Der Fall
Die koreanische LG Display Co. Ltd. (LG Korea) hatte mit der polnischen Dong Yang Electronics sp. z o. o. (Dong Yang) einen Vertrag über die Erbringung von Montagedienstleistungen abgeschlossen. Diese Dienstleistungen wurden unter Einbindung polnischer Tochterunternehmen der LG Korea erbracht. Während Dong Yang gegenüber LG Korea ohne Mehrwertsteuerausweis abrechnete, setzte die polnische Finanzverwaltung Mehrwertsteuer fest.

Streitig war, ob die Dienstleistungen gegenüber LG Korea in Korea erbracht wurden – dann fiele keine polnische Mehrwertsteuer an. Oder ob aufgrund der Einbindung der polnischen Tochterunternehmen eine feste Niederlassung der LG Korea in Polen begründet wurde – dann würde polnische Mehrwertsteuer fällig.

Auffassung des EuGH
Nach Ansicht des EuGH kann allein die gesellschaftsrechtliche Verbindung einer EU-Tochtergesellschaft keine feste Niederlassung der ausländischen Muttergesellschaft begründen. Allerdings könne eine Tochtergesellschaft – wie auch eine andere Gesellschaft – im Einzelfall durchaus eine feste Niederlassung der Muttergesellschaft begründen. Der EuGH verweist insoweit auf seine Entscheidung in der Rechtssache DFDS (C-260/95).

Ob eine feste Niederlassung vorliegt, bestimmt sich danach, ob
  • eine tatsächliche Abhängigkeit zum Unternehmen besteht,
  • ein Mindestbestand an personellen und sachlichen Mitteln vorhanden ist und
  • sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend verfestigt hat.

Eine feste Niederlassung muss vor allem eine Struktur aufweisen, die es ihr in personeller und technischer Hinsicht erlaubt, Dienstleistungen für den eigenen Bedarf zu empfangen und vor Ort zu verwenden. Eine gesellschaftsrechtliche Verbindung ist jedoch darüber hinaus nicht ausschlaggebend.

Praxishinweis
Auch eine Tochtergesellschaft kann nach Ansicht des EuGH eine Betriebsstätte der Muttergesellschaft begründen, wenn sie die vorgenannten Merkmale erfüllt. Im Einzelfall kann dies für Unternehmen mit komplexen, länderübergreifenden Produktionsabläufen unter Einschaltung von Zulieferern und Tochtergesellschaften zu zusätzlichem bürokratischem Aufwand und steuerlichen Folgen führen.
 
Die Autoren
Dr. Sven-Eric Bärsch
StB, Dipl.-Kfm., Bonn/Frankfurt a.M.
sven-eric.baersch@fgs.de
T 0228/95 94
Rainald Vobbe
StB, Dipl.-Fw., Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern, Bonn
rainald.vobbe@fgs.de
T 0228/95 94
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