Umsatzsteuerbefreiung im Non-Profit-Sektor
Daneben sieht das JStG 2019 weitgehende Änderungen bei den für den Non-Profit-Sektor wichtigen Vorschriften zur Umsatzsteuerbefreiung (§ 4 Nr. 14, 18, 21, 22, 23 und 25 UStG) sowie eine neue Vorschrift zu steuerbefreiten Kooperationen (§ 4 Nr. 29 UStG) vor. Das Gesetz soll voraussichtlich im Herbst 2019 beschlossen werden. Die Änderungen wären dann überwiegend ab 2020 anzuwenden.

Zu den wesentlichen Änderungsvorschlägen zählen die folgenden:

1. Befreiungsvorschrift für den Krankenhaussektor

Im JStG 2019 wurde eine angepasste Steuerbefreiungsvorschrift für Privatkliniken aufgenommen. Die im ursprünglichen Referentenentwurf nicht enthaltene Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG findet sich erstmals im Regierungsentwurf.

Seit 2009 sind nur Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Rechtsform steuerbefreit sowie Privatkliniken, die nach § 108 SGB V als Leistungserbringer der Gesetzlichen Krankenkasse zugelassen sind (Plankrankenhäuser, Unikliniken).

Der BFH hatte jedoch bereits vor mehreren Jahren entschieden, dass diese Bindung an den Bedarf der Sozialversicherungen nicht sachgerecht und daher unionsrechtswidrig ist. Das BMF hatte daraufhin Ende 2016 ein BMF-Schreiben erlassen. Danach sind Privatkliniken – abweichend vom Wortlaut des Gesetzes und ohne Entscheidung des Gesetzgebers – auch dann steuerfrei, wenn ihr Leistungsangebot mit dem von nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern vergleichbar ist und in mindestens 40% der Fälle Personen im Sinne des § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG behandelt oder in mindestens 40% der Fälle kein höheres Entgelt als nach dem KrankenhausentgeltG oder der BundespflegesatzVO berechnet wurde.

Diese Regelung ist nun im Wesentlichen in den Gesetzesvorschlag übernommen worden. Der einzige bedeutende Unterschied ist, dass für die 40%-Grenze nicht das vergangene Jahr betrachtet wird, sondern eine Prognose bzgl. des laufenden Jahres vorgenommen wird.
Diese Neuregelung wähnt sich auf sicherem Terrain, da große Ähnlichkeiten mit der bis 2008 bestehenden Regelung bestehen und diese nie größeren Angriffen seitens der Rechtsprechung ausgesetzt war. Allerdings erscheint dies keineswegs gesichert. Auch nach der Neuregelung ist es so, dass staatliche Krankenhäuser und die nach § 108 SGB V zugelassenen Kliniken gegenüber Beihilfe- und PKV-Patienten steuerfreie Leistungen erbringen können. Dabei konkurrieren sie mit anderen Privatkliniken, die mit dem gleichen Leistungsangebot steuerpflichtig sind, weil sie die 40%-Grenze nicht einhalten. Dies bedeutet eine gravierende Wettbewerbsverzerrung, die unionsrechtlich nicht hinnehmbar erscheint.

Daneben wurde die Regelung über besondere Versorgungsformen im Krankenhaussektor an die Änderungen im SGB V (§§ 73b, 119b, 140a SGB V) angepasst und geringfügig erweitert.

Angesichts des bereits existierenden BMF-Schreibens ergibt sich bei den meisten Krankenhäusern vermutlich nur ein überschaubarer Anpassungsbedarf.

2. Umsatzsteuerbefreiung für Wohlfahrtsverbände

Völlig neu gefasst wird im Entwurf des JStG 2019 die Steuerbefreiung für Wohlfahrtsverbände (§ 4 Nr. 18 UStG). Künftig spielt es keine Rolle mehr, ob eine Wohlfahrteinrichtung in einem der gesetzlich aufgeführten Verbände (Diakonie, Caritas, DRK, Paritätischer Wohlfahrtsverband usw.) organisiert ist. Im Grundsatz können künftig alle Einrichtungen begünstigt sein, allerdings nur solange sie keine systematische Gewinnerzielungsabsicht verfolgen und etwaige doch anfallende Gewinne reinvestieren. Dies stellt neben der ohnehin schon komplexen Regelung der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit der Ertragsteuerbefreiung (§ 66 AO) eine zusätzliche bürokratische Hürde dar. Daneben bleiben viele Punkte offen, wie z.B. die Abgrenzung von „Einrichtungen“ bei der Gewinnermittlung von Steuerpflichtigen mit mehreren Tätigkeitsbereichen.

In objektiver Hinsicht ist künftig entscheidend, dass eine Leistung im Bereich der Sozialfürsorge erbracht wird. Bislang reichte bereits allein die Mitgliedschaft in einem der Wohlfahrtsverbände für die Steuerbefreiung aus, solange u.a. das Preisabstandsgebot gewahrt wurde. Damit werden in Zukunft viele bisher von § 4 Nr. 18 UStG erfasste Leistungen nicht mehr steuerfrei sein (z.B. Essen auf Rädern) bzw. müssen die Voraussetzungen anderer Befreiungsnormen erfüllen.

Zudem sollen im Bereich der Sozialfürsorge speziellere Befreiungsvorschriften wie z.B. die für Krankenhäuser, Pflegeheime oder Jugendpflege vorrangig sein. Der Anwendungsbereich wird damit erheblich eingeschränkt und betrifft im Kern nur noch die Unterstützung für wirtschaftlich Hilfsbedürftige.

Die betroffenen Einrichtungen müssen die Änderungen, so sie denn tatsächlich beschlossen werden, bereits ab 1.1.2020 umsetzen, so dass dringender Handlungsbedarf besteht.

3. Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen

Bei der Befreiung von Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 und 22 Buchst. a UStG) ist im JStG 2019 vorgesehen, die Unterscheidung zwischen Kursen und Vorträgen aufzugeben und § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG in die neue Nr. 21 zu integrieren. Viele der bisher von dieser Vorschrift erfassten Vorträge und Kurse fallen künftig womöglich in die Steuerpflicht, weil sie keinen Berufsbezug haben (z.B. Kurse für Senioren und behinderte Menschen).

Darüber hinaus entfällt im Rahmen des § 4 Nr. 21 UStG die Bescheinigung seitens der Kultusbehörden über die Anerkennung der Kurse und Studiengänge. Künftig sind Schul- und Hochschulunterricht, die Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulungen steuerbefreit. Diese Begriffe werden im Gesetz definiert. Ausgeschlossen ist die Befreiung bei rein freizeitorientierten Angeboten. Die Prüfung der Voraussetzungen erfolgt künftig im Nachhinein durch die Finanzverwaltung, was von vielen Einrichtungen als misslich empfunden werden dürfte (spätere Gewissheit über Befreiung, u.U. strengere Prüfung durch sachfremde Behörde).

Besondere Anforderungen stellt der Entwurf an die leistende Einrichtung. Diese muss eine mit einer öffentlich-rechtlichen Bildungseinrichtung vergleichbare Zielrichtung verfolgen und insgesamt auf Bildungsleistungen ausgerichtet sein, was gerade bei Einrichtungen mit mehreren Zielsetzungen zu Schwierigkeiten führen könnte. Bei Umschulungen verlangt der Entwurf des JStG 2019, dass die Einrichtung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt und gleichwohl anfallende Gewinne reinvestiert.

Vom Gesetzeswortlaut her unklar bleibt, ob selbstständige Dozenten steuerbefreit sind. Während das Gesetz dazu (anders als bisher) schweigt, ist in der Gesetzesbegründung die Befreiung vorgesehen. Gleichwohl ergeben sich mehr Unsicherheiten.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass die neue Vorschrift erst ab 2021 in Kraft treten soll, statt wie zuvor vorgesehen 2020. Dementsprechend wird auch § 4 Nr. 22 UStG erst 2021 geändert. Die Verschiebung des Inkrafttretens auf den 1. Januar 2021 könnte bedeuten, dass die Äußerung des EuGH zur BFH-Vorlage bezüglich der Steuerbefreiung von Schwimmschulen noch ausgewertet werden kann, die womöglich noch eine etwas großzügigere Regelung mit sich bringen könnte.

4. Umsatzsteuerbefreiung für die Kindererziehung und Betreuung bzw. Verpflegung von Kindern, Jugendlichen und Studenten

Mit Blick auf die Kindererziehung und Betreuung bzw. Verpflegung von Kindern, Jugendlichen und Studenten (§ 4 Nr. 23 UStG) wird im Entwurf des JStG 2019 unterschieden zwischen Kindererziehung, Kinder- und Jugendbetreuung sowie Verpflegungsleistungen für Schüler und Studenten.

Die Kindererziehung ist steuerbefreit, soweit eine öffentliche oder private Einrichtung sie ohne systematisches Gewinnstreben erbringt. Bei der Kinder- und Jugendbetreuung kommt es dagegen darauf an, ob eine öffentliche Einrichtung vorliegt oder eine private, die aufgrund gesetzlicher Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit tätig oder überwiegend durch öffentliche Einrichtungen finanziert wird.

Bei den Verpflegungsleistungen für Schüler und Studenten kommt es darauf an, dass diese an bestimmten Schulen oder Hochschulen erbracht werden. Die öffentliche oder private Einrichtung muss ferner die Leistung ohne Gewinnstreben erbringen. Auch hier gilt ein Vorrang speziellerer Befreiungsvorschriften, so dass sich die Spielregeln auch insoweit ändern können.

Bei der Befreiung für Leistungen im Bereich der Jugendhilfe (§ 4 Nr. 25 UStG) werden Leistungen bezüglich der Adoptionsvermittlung neu aufgenommen. Die persönliche Befreiung für amtlich anerkannte Wohlfahrtsverbände entfällt.

5. Steuerbefreiung für Kostenteilungsgemeinschaften

Völlig neu – und in jeder Hinsicht zu begrüßen – ist die Steuerbefreiung für Kostenteilungsgemeinschaften (§ 4 Nr. 29 UStG), durch die steuerbegünstigte Einrichtungen ohne Umsatzsteuerbelastung miteinander kooperieren können. Die Leistung muss entweder von einem Zusammenschluss bestimmter steuerfreier oder hoheitlicher Einrichtungen erbracht werden. Begünstigt sind Einrichtungen, die nach § 4 Nr. 14-18, 20-25 oder 27 UStG steuerbefreit sind sowie öffentlich-rechtliche Einrichtungen.

Die Leistung des Zusammenschlusses muss unmittelbar den begünstigten Zwecken der Mitglieder dienen und darf nur gegen Kostenerstattung erfolgen. Zudem darf die Befreiung nicht wettbewerbsverzerrend wirken, wobei die Steuerbefreiung dafür aber allein nicht maßgeblich ist. Der EuGH hatte bereits 2017 angemahnt, dass Deutschland diese Befreiung endlich allgemein einführen müsste. Bisher galt sie nur im Gesundheitsbereich. Die dortige Vorschrift (§ 4 Nr. 14d UStG) geht nun in der neuen Nr. 29 auf. Nicht begünstigt sind nach dem Entwurf des JStG 2019 direkte Leistungen zwischen zwei oder mehr steuerbegünstigten Einrichtungen. Dies kann sich wie bisher nur aus den jeweils einschlägigen Steuerbefreiungsvorschriften ergeben.

6. Keine Regelungen zur Umsatzsteuerbefreiung für Sportvereine und Berufsverbände, Gewerkschaften und Parteien

Was im JStG 2019 fehlt, sind Regelungen zur Umsatzsteuerbefreiung für Sportvereine und Berufsverbände, Gewerkschaften und Parteien. Die Finanzverwaltung behandelt wohl die meisten Leistungen dieser Organisationen bislang als bereits nicht steuerbar und sieht wohl daher keine Steuerbefreiung vor. Die Rechtsprechung geht allerdings bei Sportvereinen in vielen Fällen und bei Berufsverbänden in einigen Fällen davon aus, dass diese umsatzsteuerbare Leistungen erbringen können. Ohne die im EU-Recht vorgesehene Steuerbefreiung würde die Anwendung der Rechtsprechung in vielen Fällen zur Steuerpflicht führen, was z.B. für die Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs bei Investitionen genutzt werden kann.
 
Der Autor
Dr. Andreas Erdbrügger
RA, StB, Berlin/Hamburg
andreas.erdbruegger@fgs.de
T 030/21 00 20-111
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