Implementierung der Quick Fixes
Einen Schwerpunkt im JStG 2019 bildet die Implementierung der Quick Fixes. Die Umsetzung dieser neuen unionsrechtlichen Vorgaben betreffen den gesamten innergemeinschaftlichen (ig.) Warenverkehr. Mit den Quick Fixes und deren Umsetzung ins deutsche UStG werden konkret die Vorschriften für ig. Lieferungen, Reihengeschäfte und Lieferungen über Konsignationslager neu gefasst bzw. erstmalig eingefügt.

Auf EU-Ebene wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den nationalen Gesetzgebern die Implementierung der Quick Fixes zu erleichtern. Zurzeit wird vom MwSt-Ausschuss geplant, den Beteiligten entsprechende Leitlinien zur Orientierung an die Hand zu geben. Auch die Generaldirektion der EU für Steuern und Zölle (TAXUD) beschäftigt sich momentan mit der Thematik (vgl. Group of the Future of VAT, explanatory notes v. 11.9.2019), um so den Mitgliedsstaaten und europäischen Unternehmen bei einer einheitlichen Umsetzung zu assistieren, und geht dabei insbesondere auf diverse Detailfragen ein.

1. Reihengeschäfte

Erstmals werden mit den Quick Fixes Reihengeschäfte EU-einheitlich geregelt.

Vor dem Hintergrund, dass die unionsrechtliche Regelung der bisherigen deutschen Regelung stark ähnelt, bleibt es bei der geltenden Definition des Reihengeschäfts. Auch kann die Warenbewegung weiterhin nur einer Lieferung zugeordnet werden. Zur Bestimmung der bewegten Lieferung werden die bisherigen Verwaltungsanweisungen nun teilweise ins UStG übernommen.

So ist die Warenbewegung anhand der Transportveranlassung zu bestimmen. Wird die Ware durch oder im Auftrag des ersten Lieferanten transportiert, ist seine Lieferung bewegt. Übernimmt dies der letzte Abnehmer in der Kette, ist die Lieferung an ihn bewegt (Abholfall).

Bei Transporten durch den Zwischenhändler bleibt es bei der Fiktion, dass dieser grds. als Abnehmer agiert und damit die Lieferung an ihn bewegt ist. Jedoch besteht weiterhin die Möglichkeit, dies zu widerlegen und als Lieferer zu transportieren. Hierzu wird gesetzlich geregelt, dass der Zwischenhändler dafür dem Lieferer seine USt-IdNr. des Warenabgangslandes vor Transportbeginn mitzuteilen hat.

Anders als im Unionsrecht gilt dies in Deutschland künftig auch für Lieferungen in Drittstaaten. Neben einer USt-IdNr. ist bei Ausfuhren bereits eine Steuernummer des Abgangslandes ausreichend, um die Warenbewegung auf die eigene Lieferung des Zwischenhändlers zu verlagern.

Bei Einfuhren ist die Lieferung des Zwischenhändlers als bewegt zu qualifizieren, wenn der Liefergegenstand in seinem Namen oder für seine Rechnung (indirekte Stellvertretung) in den freien Verkehr übergeführt wird.

Mit der Anpassung werden nun die Regelungen für die Zuordnung im UStG verankert, solche für Sachverhalte mit Drittlandsbezug geschaffen und durch das reine Abstellen auf die USt-IdNr. künftig die Diskussionen über die richtige Abbildung von Reihengeschäften hoffentlich weniger. Es besteht jedoch durch das Abstellen auf die Transportveranlassung weiterhin das Risiko für den (ersten) Lieferanten nicht erkennen zu können, ob tatsächlich sein Abnehmer transportiert oder nicht ein Abholfall vorliegt.

Im Rahmen des Regierungsentwurfes wurden bezüglich der Reihengeschäfte lediglich Konkretisierungen bzw. redaktionelle Änderungen vorgenommen. So wurde beispielsweise bei der Definition des Reihengeschäftes der Begriff der Umsatzgeschäfte durch den der Liefergeschäfte ersetzt.

2. Innergemeinschaftliche Lieferung

Ebenfalls in Folge der oben beschriebenen unionsrechtlichen Vorgaben werden die USt-IdNr. des Abnehmers und die Erfassung in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung als ig. Lieferung. So setzt § 6a Abs.1 Nr. 4 UStG-RE voraus, dass der Abnehmer eine vom Abgangsstaat abweichende, gültige USt-IdNr. verwendet.

Weiter ist der Umsatz vollständig, richtig und rechtzeitig in der ZM zu erfassen, um die Befreiung zu erlangen. Eine Korrekturverpflichtung bzgl. der ZM bleibt bestehen. Positiv ist jedoch, dass eine Korrektur für die Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung entfalten soll.

Daneben erfolgt eine Anpassung der Nachweispflichten (Art. 45a der EU-VO 282/2011- MwSt-DVO). Kernstück von Art. 45a MwSt-DVO ist eine sog. Vermutungsregel, wonach ein Gelangen in den anderen Mitgliedstaat bei Vorliegen bestimmter Unterlagen vermutet wird. Bei der MwSt-DVO handelt es sich um unmittelbar anwendbares Recht. Einer Umsetzung in deutsches Recht hätte es damit nicht zwingend bedurft.

Fraglich war mit Blick auf Art. 45a MwSt-DVO bisher vor allem, welche Bedeutung der Gelangensbestätigung zukünftig für deutsche Unternehmer zukommen wird, wenn nunmehr nach unmittelbar geltendem europäischen Recht zwei sich nicht widersprechende Belege vorgelegt werden müssen.

Mit dem Regierungsentwurf werden nun die europäischen Regelungen in deutsches Recht (§§ 17a ff. UStDV-RegE) übernommen. Die Vermutungsregel wird dem Belegnachweis durch Gelangensbestätigung vorangestellt, sodass diese als Belegnachweis weiterhin fortbesteht.

a. Vermutungsregelung

§ 17a UStDV-RegE ist wie das unionsrechtliche Pendant als Vermutungsregelung formuliert, die grundsätzlich vom Finanzamt widerlegt werden kann. Ein Gelangen der Ware ins übrige Gemeinschaftsgebiet wird nunmehr vermutet, wenn der Verkäufer mehrere einander nicht widersprechende Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind, besitzt.

Die Neuregelung enthält unterschiedliche Belegnachweise, die gegebenenfalls durch weitere Belege ersetzt oder ergänzt werden können.

Grundsätzlich benötigt der Verkäufer die Beförderungs- und Versendungsbelege, um die Vermutungsregel auszulösen. Ein Beförderungsbeleg ist ein Beleg, der im Unionsversandverfahren nach Beendigung des Versandverfahrens durch die Abgangsstelle ausgestellt wird (§ 17b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 UStG-RegE), sofern hieraus die Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet ersichtlich ist.

Als Versendungsbeleg kommen insbesondere folgende Belege in Betracht (§ 17b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UStG):
  • Handelsrechtlicher Frachtbrief;
  • Konnossement;
  • Doppelstücke des Frachtbriefs oder Konnossements.
Wenn der Verkäufer entweder den Beförderungs- oder den Versendungsbeleg nicht vorzeigen kann, hat er die Möglichkeit einen dieser Belege durch einen anderen zu ersetzen, sofern dieser Auskunft darüber gibt, ob sich der Gegenstand im übrigen Gemeinschaftsgebiet befindet. Folgende Belege kommen hierbei in Frage:
  • Versicherungspolice oder Bankunterlagen, die den Transport ins übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
  • öffentlich ausgestelltes Dokument (z.B. durch einen Notar), welches die Ankunft des Gegenstands im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
  • Bestätigung des Lagerinhabers über die Lagerung des Gegenstandes im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

b. Bedeutung der Gelangensbestätigung

Können die oben genannten Dokumente und Belege nicht vorgelegt werden, insbesondere Beförderungs- und Versendungsbelege, dann hat der Unternehmer das Gelangen ins übrige Gemeinschaftsgebiet anhand von anderen Belegen nachzuweisen. Hier greifen dann wiederum die altbekannten Regeln, sodass auch eine Gelangensbestätigung nach dem bisherigen § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStDV (§ 17b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStDV-RegE) und das Doppel der Rechnung grundsätzlich zusammen ausreichen können, um ein Gelangen ins übrige Gemeinschaftsgebiet nachzuweisen.

3. Konsignationslager

Mit § 6b UStG-RegE wird erstmals eine Regelung für Konsignationslager ins deutsche UStG eingefügt.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann somit auch bei Lieferungen über ein Lager im Bestimmungsland unmittelbar eine ig. Lieferung bzw. ein korrespondierender ig. Erwerb angenommen werden. Ein ig. Verbringen mit anschließendem Inlandsumsatz im Bestimmungsland entfällt insoweit.

Der Wortlaut des Referentenentwurfes wurde an manchen Stellen hinsichtlich der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Konsignationslagers präzisiert. So ist nunmehr eine bestehende Vereinbarung notwendig, die die anschließenden Warenversendungen aus den Konsignationslager an den Abnehmer belegt. Ferner muss der Gegenstand aus dem Konsignationslager im Bestimmungsland endgültig verbleiben.

Positiv für den Abnehmer einer Lieferung aus dem Konsignationslager ist, dass dieser entgegen dem Referentenentwurf keine Aufzeichnungen nach Maßgabe des § 22 Abs. 4g UStG-RegE (z.B. die verwendete USt-IdNr., handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände oder das Ende der Beförderung bzw. Versendung) führen muss.

Abzuwarten bleibt außerdem, wie die bekannt gewordenen technischen Schwierigkeiten bei der notwendigen Anpassung der ZM überwunden werden sollen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die notwendigen Angaben bei Abgabe der ZM durch das BZSt nicht maschinell verarbeitet werden können. Mit der entsprechenden technischen Umsetzung ist voraussichtlich nicht vor Oktober 2021 zu rechnen, sodass vor diesem Zeitpunkt aus der abgegebenen ZM nicht automatisiert erkennbar ist, ob eine grenzüberschreitende Warenbewegung in ein Konsignationslager stattgefunden hat. Auch ob ein entsprechender Datentransfer zwischen den Mitgliedsstaaten zurzeit realisierbar ist, ist fraglich. Im Ergebnis kann daher nicht abschließend geklärt werden, ob die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an die Abgabe einer ordnungsgemäßen ZM durch den Unternehmer überhaupt möglich ist.

Der Gesetzgeber ist angehalten, eine alternative Übergangslösung auszuarbeiten, sofern die elektronische Abgabe und Verarbeitung der erforderlichen Daten zum 1. Januar 2020 nicht umsetzbar sein sollte.
 
Der Autor
 
Rainald Vobbe
StB, Dipl.-Fw., Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern, Bonn
rainald.vobbe@fgs.de
T 0228/95 94-0
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