IM BLICKPUNKT
Erstanwendung der neuen versicherungsmathematischen Sterbetafeln RT 2018 G für die Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen
Die Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen erfordert versicherungsmathematische Annahmen. Neben dem Zinssatz sind dies v.a. Annahmen über die Überlebenswahrscheinlichkeiten der Pensionsberechtigten, die in Sterbetafeln ausgedrückt werden. Üblicherweise werden hierfür die Sterbetafeln der HEUBECK AG zu Grunde gelegt. Die bisher in der Praxis verwendete statistische Auswertung stammt aus dem Jahr 2005 (RT 2005 G). Zunächst wurden am 20. Juli 2018 nun neue Richttafeln veröffentlicht (RT 2018 G), die am 4. Oktober 2018 aufgrund der Verwendung inkonsistenter Datengrundlagen nochmals geändert wurden. Sie beinhalten Schätzwerte auf Basis von aktualisierten und präzisierten statistischen Daten.

Die Heubeck-Richttafeln haben allerdings keine Gesetzeskraft und sehen daher keinen formellen Erstanwendungszeitpunkt vor. Das Bundesfinanzministerium (BMF) beschäftigt sich derzeit mit diesen Richttafeln. Es ist zu erwarten, dass - wie in der Vergangenheit - das BMF hierzu in einem gesonderten BMF-Schreiben Stellung nimmt, ob und wann diese Richttafeln für ertragsteuerliche Zwecke (§ 6a EStG) anzuwenden sind. Der steuerliche Anpassungsbetrag kann nur auf mindestens drei Jahre verteilt der Pensionsrückstellung zugeführt werden (§ 6a Abs. 4 S. 3 EStG).

Für die HGB- und die IFRS-Bilanzierung hat der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW die Auswirkung der neuen Richttafeln RT 2018 G für die Handelsbilanz und die IFRS-Bilanzierung erörtert.

Handelsbilanz

Die neuen Richttafeln können handelsbilanziell berücksichtigt werden, sobald die Tabellenwerke als allgemein anerkannt gelten (IDW RS HFA 30 n.F. Tz. 62) und damit bessere Schätzwerte darstellen als die bislang zu Grunde gelegten. Dabei stellt nach Auffassung des HFA die Anerkennung durch das BMF für ertragsteuerliche Zwecke neben der tatsächlichen Verwendung durch die Rechnungslegungspraxis (insb. durch Aktuare) einen deutlichen Indikator für die allgemeine Anerkennung der neuen Richttafeln dar.

Für Abschlüsse, deren Stichtag nach dem Tag liegt, an dem das betreffende finale BMF-Schreiben auf der Website des BMF veröffentlicht wird, ist nach Auffassung des HFA grundsätzlich von einer allgemeinen Anerkennung auszugehen. Hiervon ist allerdings ausnahmsweise nicht auszugehen, solange die Validierung/Implementierung der neuen Richttafeln durch die Rechnungslegungspraxis noch nicht hinreichend fortgeschritten ist. Nicht relevant für die HGB-Bilanzierung soll nach Auffassung des HFA dagegen die materielle Ausgestaltung etwaiger ertragsteuerlicher Übergangsregelungen sein oder wann das BMF-Schreiben im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird. Für Abschlüsse, deren Stichtag vor dem Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens liegt, können die neuen Richttafeln freiwillig angewendet werden, wenn weitere Anhaltspunkte für die allgemeine Anerkennung beigebracht werden können. Diese können bspw. auch in einer Veröffentlichung des BMF-Schreibens noch in der Aufstellungsphase des Abschlusses liegen.

Die Erfolgswirkungen aus der Erstanwendung sind in voller Höhe, ohne eine zeitliche Verteilung, in den HGB-Abschlüssen zu erfassen.

Bilanzierung nach IFRS

Auch für die IFRS-Bilanzierung müssten die versicherungsmathematischen Annahmen die bestmögliche Schätzung (IAS 19.76) entsprechen und dürfen unter Verwendung von Standardsterbetafeln ermittelt werden (IAS 19.82). Auch hier soll die Anerkennung durch das BMF als Maßstabe für die allgemeine Anerkennung dienen. Die Anpassungsbeträge sind abweichend von der HGB-Rechnungslegung erfolgsneutral im sonstigen Ergebnis zu erfassen (IAS 19.57 (d) i.V.m. 19.128). Nach Auffassung des HFA sind in den Zwischenabschlüssen - bis zum regulären Abschlussstichtag der Erstanwendung - die neuen Richttafeln dagegen noch nicht anzuwenden.

Fazit

Die Erstwendung der neuen Heubeck-Richttafeln wird zu einer weiteren Erhöhung der Pensionslasten in den Bilanzen führen. Für die Steuerbilanz wird je nach Zusammensetzung des Bestandes an Pensionsberechtigten eine Erhöhung der Pensionsrückstellungen von 0,5 % bis 1,2 % erwartet. Für die HGB- und die IFRS-Bilanzierung soll die Erhöhung mit 1,0 % bis 2,0 % regelmäßig höher ausfallen. Die erstmalige Erfassung dieser Umstellungseffekte macht das IDW von der Veröffentlichung eines hierzu für steuerliche Zwecke noch zu erlassenden BMF-Schreibens abhängig. Sollte dieses bis zum Abschlussstichtag noch nicht veröffentlicht sein, besteht faktisch ein Wahlrecht, in welchem Geschäftsjahr die Umstellungseffekte zu erfassen sind. Neben der Belastung aus der Erstanwendung der neuen Richttafeln tritt für die Handelsbilanz zudem der Effekt aus dem weiter sinkenden 10-Jahresdurchschnittszinssatz nach § 253 Abs. 2 HGB.
 
Der Autor
Christian Stürke
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Bonn
christian.stuerke@fgs.de
T 0228/95 94-0
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