BFH urteilt erneut zu Voraussetzungen der Berichtigung beim unrichtigen Umsatzsteuerausweis
Unrichtiger Umsatzsteuerausweis: Rückzahlung durch Abtretungserklärung gegenüber dem Leistungsempfänger möglich

Wenn ein Unternehmer in einer Rechnung einen höheren als den gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuerbetrag ausweist, schuldet er dem Fiskus auch den Mehrbetrag. Er kann diesen Steuerbetrag aber gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen.

Rückzahlung als Voraussetzung der Steuerberichtigung

Hat ein Unternehmen einen zu hoch ausgewiesenen Rechnungsbetrag vereinnahmt, verlangen der Bundesfinanzhof und die Finanzverwaltung neben der Rechnungsberichtigung, dass der Unternehmer den zu viel gezahlten Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzahlt (vgl. BFH v. 18.9.2008, V R 56/06, BStBl. 2009 II S. 250, und v. 2.9.2010, V R 34/09, BStBl. 2011 II S. 991). Andernfalls würde eine Erstattung durch das Finanzamt den Leistenden ungerechtfertigt bereichern. Denn bei einer bedingungslosen Erstattung könnte der Leistende – zusätzlich zum bereits vereinnahmten Steuerbetrag – auch den berichtigten Steuerbetrag vom Finanzamt verlangen. Der Leistungsempfänger würde dann das Insolvenzrisiko des leistenden Unternehmers tragen. Er könnte nur zivilrechtlich versuchen, seinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Unternehmer durchzusetzen. Aufgrund entsprechender EuGH-Rechtsprechung müsste der Fiskus zudem befürchten, dass ihn der Leistungsempfänger zusätzlich auf Erstattung der Umsatzsteuer in Anspruch nimmt (vgl. EuGH-Urteil Reemtsma Cigarettenfabriken v. 15.5.2007, C-35/05, HFR 2007, 515, Rn. 41).

Berichtigung durch Abtretungserklärung

Der BFH hat im Jahr 2016 erstmals festgestellt, dass eine in einer Abtretungsanzeige an das Finanzamt enthaltene Abtretungserklärung des leistenden Unternehmers an den Leistungsempfänger als Rechnungsberichtigung i. S. d. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG anzusehen sein kann (Urteil vom 12.10.2016, Az. XI R 43/14). Dafür sei erforderlich, dass diese Abtretungserklärung dem Leistungsempfänger zugegangen ist. Die Erklärung müsse sich außerdem spezifisch und eindeutig auf eine (oder mehrere) ursprüngliche Rechnung(en) beziehen. Schließlich müsse aus ihr auch klar hervorgehen, dass der leistende Unternehmer über seine Leistungen nunmehr nur noch ohne (oder mit geringerer) Umsatzsteuer abrechnen will.

Der BFH stellte darüber hinaus fest, dass eine Rückzahlung der Umsatzsteuer im Wege der Abtretung und Verrechnung zulässig sei. Eine Rückzahlung in bar oder durch Überweisung sei nicht erforderlich. Die Abtretung werde vielmehr durch Zugang der Abtretungsanzeige beim zuständigen Finanzamt wirksam. Der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlange grundsätzlich, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann. Notwendig sei dafür lediglich die rechtzeitige und vollständige Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens durch den Aussteller der Rechnung. Auch für eine eventuell erforderliche Rückzahlung zu hoch abgerechneter Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger sei eine Abtretung ausreichend.

Bestätigung der Rechtsprechung durch den BFH

Mit Urteil vom 16.5.2018 (Az. XI R 28/16) hat der BFH seine Rechtsprechung nun bestätigt. Der 11. Senat führt nochmals aus, weshalb die Rückzahlung der von dem leistenden Unternehmer vereinnahmten Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger erforderlich sei. Beiläufig stellte der Senat fest, dass die Rückzahlung auch im Wege der Abtretung und Verrechnung erfolgen könne. Dadurch könne eine Vorfinanzierung des berichtigten Steuerbetrages durch den Rechnungsaussteller bis zur Steuererstattung vermieden werden. Da die Rückzahlung durch Abtretung und Verrechnung im zu entscheidenden Fall nicht entscheidungserheblich war und der Senat sich dennoch dazu geäußert hat, wird deutlich, dass er sein Urteil vom 12.10.2016 ausdrücklich bestätigen wollte.

Stellungnahme und Ausblick

Das Urteil des BFH ist sehr zu begrüßen. Auch nach dem vorangegangenen Urteil war in der Praxis unklar, ob eine Abtretung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Finanzamt an den Leistungsempfänger für eine Rückzahlung im Rahmen des § 14c Abs. 1 S. 2 UStG genügte. Weshalb eine Rückzahlung in Geld gefordert wurde, ist nicht ersichtlich. Denn auch durch die Abtretung des Erstattungsanspruchs an den Leistungsempfänger wird verhindert, dass der Leistungsempfänger das Insolvenzrisiko des leistenden Unternehmers trägt oder der Fiskus doppelt in Anspruch genommen wird. Dadurch wird folglich die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt.

Die Finanzverwaltung verlangte dennoch zumeist weiterhin einen tatsächlichen Cashflow gegenüber dem Leistungsempfänger. Dies brachte vor allem bei hohen Berichtigungsbeträgen erhebliche Vorfinanzierungsschwierigkeiten mit sich. Zwar wurde das aktuelle BFH-Urteil noch nicht im BStBl. veröffentlicht und die Finanzverwaltung hat sich bislang nicht zu der Thematik geäußert. Allerdings ist zu erwarten, dass sie nunmehr allgemein im Rahmen der Berichtigung nach § 14c Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG eine Abtretung und Verrechnung als Steuerrückzahlung an den Leistungsempfänger akzeptieren wird. Für die betroffenen Unternehmen bedeutet dies also vor allem bei hohen Berichtigungsbeträgen und korrespondierenden Erstattungsansprüchen eine Befreiung von der erheblichen Vorfinanzierungslast.
 

Die Autorin

 

Julia Wien
Rechtsreferendarin, Frankfurt
julia.wien@fgs.de





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